Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil vom 08.02.2023 (43 O 12/23) entschieden, dass ein lastenfreies Kranüberschwenken im innerstädtischen Bereich keine verbotene Eigenmacht darstellt. Das LG Berlin schließt sich damit der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 26. Februar 2007 – I-9 W 105/06) an, wonach es bei einem lastenfreien Überschwenken an einem Ausschlussinteresse des Eigentümers fehlt.
Lastenfreies Kranüberschwenken ist keine verbotene Eigenmacht
23. February 2023
Vorausgegangen war der Entscheidung zunächst der Erlass einer einstweiligen Verfügung, die das Kranüberschwenken untersagte. Die Nachbarin hatte dies beantragt, um das Kranüberschwenken und – wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigte – den Projektfortschritt der Bauherrin zu verhindern. Indes konnte in der mündlichen Verhandlung ein zunächst vorgetragenes Überschwenken mit Lasten nicht glaubhaft gemacht werden. Das LG Berlin hat in dem nunmehr gesprochenen Urteil die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag der Nachbarin zurückgewiesen. Die Nachbarin habe, so das Landgericht, „weder dargetan, dass sie den Luftraum über ihrem Grundstück während der Inanspruchnahme durch den Kran der Verfügungsbeklagten für eigene Zwecke nutzen will, noch konnte [sie] glaubhaft machen, dass die Kranüberschwenkung mit Lasten erfolgt“. Ein Ausschlussinteresse der Nachbarin konnte das Landgericht daher nicht erkennen. Aufgrund des lastenfreien Überschwenkens der Kranarme können weitere Bedenken zudem im Hinblick auf Gefahren für das Grundstück der Nachbarin – wie das Landgericht ausführt – von einem verständigen Nutzer nicht geteilt werden. Einer Erörterung des von der Bauherrin geltend gemachten Hammerschlags- und Leiterrechts (§ 17 NachbG Bln) bedurfte es insoweit nicht mehr.
Grundstückseigentümer können im Wege des § 1004 BGB (eigentumsrechtlicher Abwehranspruch) bzw. §§ 858, 862 BGB (verbotene Eigenmacht) Einwirkungen auf ihr Grundstück untersagen. Eigentumsrechtlich geschützt ist grundsätzlich auch der Luftraum über einem Grundstück, jedoch nur soweit der Grundstückseigentümer noch ein Interesse an der Ausschließung haben kann (§ 905 S. 2 BGB).
Die Entscheidung des LG Berlin erlaubt Bauherren auch im innerstädtischen und verdichteten Bereich die Umsetzung von Bauvorhaben unter Einsatz eines Krans, der lastenfrei andere Grundstücke überschwenkt. Der Konflikt, der sich ergeben kann, wenn Bauherren einerseits über eine Baugenehmigung verfügen und von dieser andererseits wegen etwaiger Nachbarinteressen faktisch keinen Gebrauch machen können, wird durch diese Entscheidung pragmatisch und im Sinne der früheren Entscheidung des OLG Düsseldorf gelöst. Andernfalls drohte die Gefahr, dass im innerstädtischen Bereich jeder Grundstücksnachbar eine Blockadehaltung im Hinblick auf die Umsetzung von Bauvorhaben einnehmen könnte, da im verdichteten Bereich Bauvorhaben ohne lastenfreie Kranüberschwenkung angrenzender Grundstücke faktisch nicht möglich sind.
Gleichwohl ist Bauherren bei der Umsetzung von Bauvorhaben dringend zu raten, die nachbarschaftliche Situation früh zu prüfen und das Hammerschlags- und Leiterrecht, das auch für ein Kranüberschwenken entsprechende Anwendung findet, rechtzeitig anzuzeigen. Widerspricht der Nachbar muss der Bauherr die Verpflichtung zur Duldung unter Umständen gerichtlich durchsetzen. Denkbar ist dies insbesondere im Wege der Hauptsacheklage, mit den daraus resultierenden negativen zeitlichen Folgen für das Bauvorhaben. Ob eine Durchsetzung auch im Wege der einstweiligen Verfügung denkbar ist (so LG Berlin, Urteil vom 23.10.2017 – 1 O 45/17, nicht veröffentlicht) muss im jeweiligen Einzelfall geklärt werden. Zu prüfen sind in Fällen der unberechtigten Untersagung des Kranüberschwenkens in jedem Fall etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Nachbarn.
Ansprechpartner für Fragen komplexer nachbarschaftlicher Situationen sind u.a. Dr. Juliane Hoffmann und Dr. Daniel Weinke. Beide sind Mitglieder des Kompetenzteams Projektentwicklung.