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Praxisinfo Arbeitsrecht: Das richtige Arbeitszeugnis – ein Klassiker

20. September 2021

Leider gibt es – insbesondere bei beendeten Arbeitsverhältnissen – zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer wieder unterschiedliche Auffassungen über Form und Inhalt des Arbeitszeugnisses. Vorweg: Aus Arbeitgebersicht halten wir viele um Zeugnisse geführte Rechtstreitigkeiten für unnötig und jedenfalls vermeidbar; die Rechtsprechung gibt jedenfalls deutliche Hinweise, wie ein Zeugnis auszusehen hat und wie eben nicht.

1. Rechtsgrundlage

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gem. § 109 Ab. 1 S. 1 GewO einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, das sog. Arbeitszeugnis. Dieses kann seinem Inhalt nach lediglich Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis) oder sich darüber hinaus auf die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers erstrecken (qualifiziertes Zeugnis). Es muss klar, verständlich und sachlich formuliert sein. Zudem darf es nicht in elektronischer Form erteilt werden. Näheres zur Form und dessen inhaltlichen Ausgestaltung nennt § 109 GewO nicht.

2. Arbeitgeber als Schuldner

Bei dessen inhaltlicher Ausgestaltung steht dem Arbeitgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, welche Formulierungen und Ausdrücke er verwendet und welche Merkmale er hervorheben bzw. zurückstellen möchte. Dabei ist er jedoch nicht völlig frei, denn als Maßstab dient ein wohlwollender und verständiger Arbeitgeber.

Nicht verpflichtet ist der Arbeitgeber dagegen, dem Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis zukommen zulassen. Er muss lediglich den Arbeitnehmer darüber informieren, dass dieses zur Abholung bereit liegt, sog. Holschuld. Ausnahmen davon sind dann möglich, wenn eine Abholung mit unverhältnismäßigen Kosten oder besonderen Mühen seitens des Arbeitnehmers verbunden ist (LAG Schleswig-Holstein Beschl. v. 28.1.2021 – 1 Ta 118/20, BeckRS 2021, 3692).

Sollte der Arbeitnehmer mit dem ausgestellten Arbeitszeugnis nicht einverstanden sein, so kann er im Rahmen einer Klage die Berichtigung und/oder Ergänzung dessen fordern.

3. Entscheidung des BAG zur Beurteilung in Tabellenform

Das Bundesarbeitsgericht befindet, dass die tabellarische Ausgestaltung von Bewertungskriterien versehen mit Schulnoten nicht dem Sinn und Zweck eines Arbeitszeugnisses gerecht werden kann. In seinem Urteil vom 27.04.2021 (9 AZR 262/20) begründete das BAG seine Entscheidung zugunsten des Arbeitnehmers damit, dass die Bewertung einzelner nebeneinander aufgeführten Kriterien mithilfe von Schulnoten weder der Individualität eines auf den jeweiligen Arbeitnehmer zugeschnittenen Arbeitszeugnisses gerecht wird, noch den Erwartungen eines verständigen Zeugnislesers genügt. Es lässt viel Raum für Interpretationen: Bedeutet ein „Befriedigend“ in der Verhaltensbeurteilung zu Gleichgestellten und Einzuweisenden bspw., dass sich der Arbeitnehmer gut in die Gruppe integrieren konnte, aber lieber alleine arbeitete, oder dass er eher stiller Beobachter war, oder aufgrund seiner extrovertierten Art manchmal aneckte? Außerdem bleibt dann noch die Frage, welche Bewertungskriterien überhaupt heranzuziehen sind.

4. Sinn und Zweck eines Arbeitszeugnisses

Sinn und Zweck eines Arbeitszeugnisses ist es, die an die arbeitsvertragliche Tätigkeit gestellten Anforderungen zu beschreiben und somit Aufschluss über die während des gesamten Arbeitsverhältnisses gezeigten Fähigkeiten, Kenntnisse, den Umgang mit Kollegen, Kunden und Vorgesetzen sowie über die generelle Arbeitshaltung des Arbeitnehmers zu bieten. So wird dem Arbeitnehmer ermöglicht, seinen beruflichen Werdegang, seine persönlichen und fachlichen Qualifikationen bei Bewerbungen nachzuweisen. Dem potenziellen, zukünftigen Arbeitgeber kann somit gleichzeitig ein realistisches Gesamtbild vermittelt werden, welches ihm die Personalauswahl erleichtert. Dementsprechend muss das Arbeitszeugnis individuell auf den Arbeitnehmer zugeschnitten sein und sowohl seine Fähigkeiten als auch seine Persönlichkeit widerspiegeln.

5. Fließtext als geeignete Form der Bewertung

Eine Bewertung mithilfe von Schulnoten, die normalerweise (schriftliche) Leistungsnachweise von vorher festgelegten Maßstäben darstellen, wird dieser von verschiedenen Facetten geprägten Individualität schlichtweg nicht gerecht. Aus diesem Grund ist ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, welches ein Gesamtbild der Leistungen und Verhaltensweisen des Arbeitnehmers während des gesamten Arbeitsverhältnisses vermittelt, bloß durch einen ausformulierten Fließtext zu erreichen. Nur dann kann das Arbeitszeugnis den erforderlichen Informationswert aufweisen, der dem Arbeitnehmer gerecht wird und dem Arbeitskräfte suchenden Arbeitgeber als Entscheidungsgrundlage dient. Weiterhin muss diese Bewertung dann auch in sich konsequent sein, also keine Widersprüchlichkeiten zulassen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2020 – 3 SA 256/19).

6. Wissenswertes

Es ist weiterhin möglich das Arbeitszeugnis mit einer Gesamtbewertung, welche mit Schulnoten vergleichbare Floskeln „zur vollen Zufriedenheit“ = „befriedigend“ bereithält, abzuschließen Diese sog. Zeugnissprache ist, abweichend vom üblichen Sprachgebrauch, kein Ausdruck subjektiver Befindlichkeit des Arbeitgebers, sondern ein objektiver, der sich am Maßstab eines durchschnittlichen Arbeitnehmers mit vergleichbaren Aufgaben orientiert (BAG, Urt. v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.3.2013 –  Aktenzeichen 18SA213312 18 Sa 2133/12).

Außerdem hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf persönliche Empfindungen des Arbeitgebers, die sich inhaltlich in dem Arbeitszeugnis niederschlagen. Beispielsweise kann er keine guten Wünsche für die Zukunft und Dank für die Tätigkeit  in einem Schlusssatz verlangen (BAG, Urt. v. 11. 12. 2012 – 9 AZR 227/11; Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 3. 2. 2011 –  Aktenzeichen 21SA7410 21 Sa 74/10). Das Arbeitszeugnis muss als Schlusszeugnis jedenfalls auf das Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses datieren (sehr häufiger Fehler) und im Original von einem dazu Berechtigten unterzeichnet sein (häufiger Fehler). Im Detail unterstützen die Anwältinnen und Anwälte aus unserer Praxisgruppe Arbeitsrecht Sie gerne. Machen Sie Ihren „Punkt in der Bewertung“, entwerten Sie diesen allerdings nicht durch formale Fehlerhaftigkeiten.

Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Mitglieder der Praxisgruppe Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.

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Jennifer Wagener
Jennifer Wagener

Head of Marketing, Business Development & Communications

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