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BGH: Recht zur mängelbedingten Kündigung in § 4 Abs. 7 VOB/B unwirksam!

02. März 2023

Kommentierung zum Urteil des BGH vom 19.01.2023 -AZ VII ZR 34/20: Entscheidung des BGH zur Wirksamkeit/Unwirksamkeit von § 4 Abs. 7 VOB/B

Leitsatz

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand.  Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 S. 3 i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, S.1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

Eine Entscheidung des BGH zur Wirksamkeit von § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B (2002), der im Übrigen textgleich in der aktuellen Fassung der VOB/B aus dem Jahre 2016 enthalten ist, die schon seit langem erwartet worden ist. Die jetzige Entscheidung § 4 Nr. 7 S. 3 in der Altfassung bzw. § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B in der Neufassung ist im Kontext zu sehen mit der Entscheidung des BGH betreffend die Mängelersatzvornahmeberechtigung vor Abnahme, die zum BGB-Werkvertragsrecht erging. Seinerzeit hatte der BGH mit Urteil vom 19.01.2017 (AZ VII ZR 301/13) entschieden, dass es keine Mängelersatzvornahmeberechtigung vor Abnahme der Werkleistung durch den Auftraggeber gibt. Ob und inwieweit dies auch Geltung für VOB/B-Verträge hat, ließ der BGH ausdrücklich offen.

Dass § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B in der aktuellen Fassung wie in allen vorherigen Fassungen ausdrücklich das Mängelbeseitigungsrecht vor Abnahme vorsah, ließ schon vermuten, dass der BGH bei auftraggeberseitiger Verwendung der VOB/B die betreffende Regelung für AGB-widrig erklären würde.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall kam der Auftragnehmer der Mängelbeseitigungsaufforderung, die mit einer Kündigungsandrohung des Bauleistungsvertrages verbunden war, nicht fristgerecht nach. Daraufhin kündigte der Auftraggeber den Bauvertrag insgesamt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang war der Umstand, dass die Mängel, deretwegen der Auftraggeber den Vertrag kündigte, Mängelbeseitigungskosten i. H. v. ca. 6.000,00 € verursachte, dies bei einem Auftragswert in Millionenhöhe, was schon die Vermutung in sich nahelegte, dass es sich nicht um wesentliche Mängel gehandelt haben dürfte.

Für den BGH stellte sich aber zunächst die Frage, ob eine Inhaltskontrolle von § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) rechtlich überhaupt zulässig ist oder ob § 305 Abs. 1, S. 1 BGB eine solche Inhaltkontrolle gesetzlich verbietet. Bereits 2004 hatte der BGH (AZ VII ZR 419/02) entschieden, dass jede vertragliche Abweichung von den Regeln der VOB/B unabhängig davon, ob sie erheblich sind oder nicht, dazu führt, dass eine Inhaltskontrolle eröffnet ist. Eine substanzielle Änderung der Regelungen der VOB/B durch den Verwender der AGB ist folglich nicht erforderlich. Im entschiedenen Fall war es so, dass die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart war, sodass der BGH in die Inhaltskontrolle einsteigen konnte und einsteigen musste.

Bei der Prüfung der Frage, ob die betreffende Klausel in § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) wirksam ist, kam es auf die Regelung in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB entscheidend an. Danach wird eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders der AGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Dabei ist der Auslegung der Klausel gemäß § 305 c Abs. 2 BGB immer die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen. Legt man die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde, dann ist nach den Feststellungen des BGH für § 4 Nr. 7 S.3 i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B (2002) von einem Klauselverständnis auszugehen, wonach bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grunde eröffnet ist.

Das scharfe Schwert der Kündigung aus wichtigem Grunde kann danach einschränkungslos in jedem denkbaren Fall festgestellter Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit ausgesprochen werden, losgelöst davon, welches Gewicht der Vertragswidrigkeit oder dem Mangel im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zukommt. Ausgehend von diesem Klauselverständnis kam der BGH zu dem Ergebnis, dass ein solches Kündigungsrecht dem gesetzlichen Leitbild, wie es im § 314 BGB für ab dem 01.01.2002 abgeschlossenen Verträge vor Einführung von § 648 a BGB entspricht, widerspricht. Danach ist Voraussetzung für eine Kündigung aus wichtigem Grunde immer, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert hat, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortführung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, die Fertigstellung durch den Auftragnehmer nicht mehr abwarten zu müssen, kann etwa aus der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels folgen. Da die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 S. 3 i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B (2002) eine Kündigung losgelöst von diesen Kriterien selbst bei geringfügigen Mängeln ermöglicht, ist eine für den Auftragnehmer unzumutbare Abweichung von der Gesetzeslage offensichtlich.

§ 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B (2002) behält nach den Feststellungen des BGH im Übrigen seine Wirksamkeit, weil der Passus in § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B (2002), der die Bezugnahme auf den Kündigungsgrund des § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) enthält, gestrichen werden könne, ohne dass die Klausel in § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B (2002) insgesamt ihren Sinn einbüßen würde.

Bei Fragen zum Thema wenden Sie sich gerne an die Mitglieder unserer Praxisgruppe Bau- und Architektenrecht.

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