Anwälte Kompetenzen Veranstaltungen Nachrichten Karriere Infoportal EN

EEG 2023: Vorrang für Erneuerbare Energien – Einführung des § 2 EEG

29. August 2022

Der schnelle Ausbau Erneuerbarer Energien stieß in der Vergangenheit regelmäßig an Grenzen einer schwerfälligen Genehmigungspraxis. Diesem konfliktträchtigen Themenkomplex hat sich der Bundesgesetzgeber nunmehr angenommen und im Zuge der Novellierung des EEG die „Besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien“ in § 2 EEG festgehalten (BGBI, 2022, 1214 ff.).

1. Inhalt der Regelung

Nach dem Wortlaut der Regelung liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen Erneuerbarer Energien sowie deren dazugehörigen Nebenanlagen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis zur Erreichung der Treibhausgasneutralität sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die fachgesetzlich durchzuführenden Schutzgüterabwägung eingebracht werden.

Ausweislich der Gesetzesbegründung findet § 2 EEG dort Anwendung, wo Fachgesetze eine Abwägungsentscheidung erfordern. Insbesondere gegenüber seismologischen Stationen, Radaranlagen, Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz, dem Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht soll die Abwägungsentscheidung nach der Intention des Gesetzgebers künftig allenfalls in Ausnahmefällen zulasten der erneuerbaren Energien ausfallen (BT-Drs. 20/1630, S. 159). 

2. Anwendungsfälle

Die Anwendungsfälle, die sich in der Praxis der Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien ergeben, sind bereits mit Blick auf die Aufzählung der Gesetzesbegründung vielfältig.

So entspricht es durchaus der Intention des Gesetzgebers, dass insbesondere naturschutzrechtliche Belange in der Abwägung künftig häufiger unterliegen. Im Rahmen der neu eingeführten Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 7 BNatSchG wird das öffentliche Interesse am Ausbau der Erneuerbaren Energien sogar nochmals gesondert erwähnt. 

Freilich ist jedoch im Rahmen der verschiedenen Gesetzesmaterien und jeweils im Einzelfall zu prüfen, wie sich die Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses in den einzelnen Fachgesetzen auswirkt.

So ist beispielsweise zu erwarten, dass sich im Denkmalschutzrecht die Erneuerbaren Energien häufiger gegenüber Belangen des Denkmalschutzes durchsetzen werden. Auch im Waldrecht ist davon auszugehen, dass zukünftig selbst der Wald – als ebenso unter den Art. 20a GG fallendes Schutzgut – schützenswerter Belang öfter zurückstehen muss. Ebenso dürfte § 2 EEG seine Wirkung im Rahmen des Immissionsschutz- und Baurechts zugunsten der Erneuerbaren Energien entfalten. Im Bereich der Flugsicherheit wird die Norm hingegen voraussichtlich keine Besserstellung bewirken können. Im Straßenrecht allerdings ist zu erwarten, dass etwa in anbaubeschränkten Bereichen (vgl. § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FStrG) Ausbaupotenziale aufgrund von § 2 EEG weiter ausgeschöpft werden können.

3. Kritik

Die Reaktionen auf die Einführung des § 2 EEG sind bislang erwartungsgemäß gemischt ausgefallen. Während häufiger die Signalwirkung für die Energiewende hervorgehoben wird, wird an anderer Stelle die rechtliche Umsetzung und die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen durch die Regelung in Zweifel gezogen.

Exemplarisch für die Befürworter der Regelung des § 2 EEG, der sich die Verfasserinnen und Verfasser dieses Beitrags ausdrücklich anschließen, bezeichnete der Präsident des OVG Berlin-Brandenburg die als „Osterpaket“ firmierende Novelle des EEG als „große Hilfe“ (siehe hier).

Vorsichtige Zweifel an der rechtlichen Umsetzung der Regelung äußert hingegen das OVG Lüneburg, das jedenfalls im Hinblick auf die denkmalschutzrechtliche Schutzgüterabwägung die Gesetzgebungsbefugnis des Bundesgesetzgebers infrage stellt.  

4. Ausblick

Die Regelung ist jedenfalls begrüßenswert. Es ist insbesondere zu erwarten, dass durch die Einführung des § 2 EEG die Genehmigungsbehörden rechtssicherer bei der Zulassung von Anlagen erneuerbarer Energien agieren können. Jedenfalls lässt sich angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts eine zögerliche Genehmigungspraxis nunmehr allenfalls mit erhöhtem Begründungsaufwand auf entgegenstehende Belange stützen. 

Die Verfasserinnen und der Verfasser dieses Beitrags haben sich mit der Reichweite des § 2 EEG in den verschiedenen Fachgesetzen vertieft auseinandergesetzt. Die Darstellung der wichtigsten Fachgesetze und deren Abwägungsentscheidungen im Lichte des § 2 EEG ist unter dem Titel „Öffentliches Interesse und öffentliche Sicherheit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien“ in Band 4 der ZNER 2022, 337-347 erschienen. Für Rückfragen zu Genehmigungsverfahren Erneuerbarer Energien stehen Ihnen die Verfasser*innen dieses Beitrags und das Kompetenzteam "Erneuerbare Energien“ gerne zur Verfügung.

Zurück

Autoren

Folgende Themen könnten Sie auch interessieren

Anwälte Kompetenzen Veranstaltungen Nachrichten Standorte Karriere Infoportal Online Services Publikationen Über Kapellmann 50 Jahre Nachhaltigkeit