Ermittler starten wieder mit Durchsuchungen – Wie sollten sich Unternehmen und Verbände vorbereiten?
12. Oktober 2020
Nach der Corona-Welle zeichnet sich jetzt eine Durchsuchungswelle ab.
Seit Beginn der Pandemie haben Kartell- und Strafverfolgungsbehörden geplante Durchsuchungen zurückgestellt. Denn Durchsuchungen erfordern persönlichen Kontakt, der mit social distancing schlecht vereinbar ist.
Die Behörden haben aber weiter Hinweise und Verdachtsmomente erhalten, die normalerweise zu Durchsuchungen geführt hätten. Allein das Bundeskartellamt hat von Januar bis August 2020 sieben Selbstanzeigen erhalten.
Behörden beginnen jetzt, diesen Rückstau „abzuarbeiten“. Das kann dazu führen, dass es in der nächsten Zeit mehr Durchsuchungen geben wird als sonst.
Hierzu der Präsident des Bundeskartellamts:
„Es ist insgesamt so, dass Corona Ermittlungen nicht gerade erleichtert … Wir sind da in den letzten Monaten zurückhaltend gewesen, schlicht und ergreifend vor dem Hintergrund, dass Sie für Durchsuchungen ein ausgefeiltes Schutzkonzept brauchen. Das haben wir jetzt entwickelt.“
Nun sollen die Durchsuchungen wieder anlaufen. „Es kann nicht sein, dass dieser Bereich im Kampf gegen Kartelle brach liegt“, so Andreas Mundt im WDR.
„Die Kartellverfolgung bleibt eine Kernaufgabe des Bundeskartellamtes. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gibt es keine Rechtfertigung für illegale Absprachen. Wir erhalten immer wieder Hinweise auf mögliche Kartelle und werden diese auch weiterhin konsequent verfolgen.“
2019 hatte das Bundeskartellamt 848 Mio. EUR Bußgeld gegen 23 Unternehmen bzw. Verbände und 12 natürliche Personen verhängt. Mehr dazu hier.
Was wird sich ändern?
Mit Blick auf den Infektionsschutz werden Behörden anders durchsuchen (müssen), als bisher:
- Wir erwarten z.B., dass sie den Fokus noch stärker darauf legen, Daten zu kopieren und dann in ihren Räumlichkeiten auszuwerten. Dadurch brauchen Durchsuchungen weniger Zeit und weniger Beamte vor Ort. Wenn es schnell gehen soll, ist die Versuchung einer „Fishing Expedition“ groß: Dabei werden Daten in sehr großen Mengen kopiert, weitgehend ohne Selektion. Schrotflinte statt Skalpell sozusagen.
- Beamte dürften darauf bestehen, dass Unternehmensmitarbeiter und Anwälte mehr Abstand zu ihnen halten. Das sonst übliche „Shadowing“ (jeder Beamte wird begleitet und seine Tätigkeit überwacht) wird dadurch erschwert. Für Unternehmen wird es dadurch schwerer zu erfahren, wie genau die Beamten suchen und was sie sicherstellen. Die Verteidigungsrechte lassen sich so schwerer wahren.
- Da viele Mitarbeiter noch aus dem Home Office arbeiten, werden Durchsuchungen in Privatwohnung wahrscheinlicher. Dann klingelt morgens nicht Amazon, sondern ein Durchsuchungsteam.
Wie sollten sich Unternehmen und Führungskräfte vorbereiten?
- Jedes Unternehmen sollte auf Durchsuchungen vorbereitet sein, da auch rechtstreue Unternehmen Gegenstand von Ermittlungen werden können (dazu hier). Nötig sind mindestens eine organisierte Meldekette und Merkblätter für richtiges Verhalten.
- Führungskräfte und die Mitarbeiter, die im Fall einer Dursuchung das Reaktionsteam bilden (einschließlich IT), benötigen zusätzlich eine Schulung. Nur Merkblätter reichen für sie erfahrungsgemäß nicht aus.
- Wenn Unternehmen Merkblätter und Verfahren haben, sollten sie darauf hin geprüft werden, ob sie auch in der Pandemiesituation funktionieren. Wenn es keine Merkblätter und Verfahren gibt, sollten sie zügig erstellt werden.
- Mitarbeiter sollten auch im Home Office das Durchsuchungsmerkblatt verfügbar haben. Da ihre IT-Geräte bei einer Durchsuchung sichergestellt werden können, empfiehlt sich eine gedruckte Fassung.
Mein Team und ich bieten kostenlose Online-Schulungen zu richtigem Verhalten bei Durchsuchungen an, auch speziell in der Pandemie-Situation. Mehr dazu hier.
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