Der nordrhein-westfälische Landtag hat am 30.06.2021 das Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung 2018 beschlossen (GV. NRW 2021, S. 821). Das Gesetz dient der Änderung zahlreicher Vorschriften der erst am 01.01.2019 in Kraft getretenen BauO NRW 2018. Erklärte Ziele der Neuregelung sind die Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren, die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum im Wege des Dachgeschossausbaus, die Förderung von Energieeffizienz und Nachhaltigkeit beim Bauen sowie die Beschleunigung des Mobilfunkausbaus. Außerdem werden mit dem Änderungsgesetz zahlreiche inhaltliche und auch redaktionelle Anpassungen der BauO NRW 2018 vorgenommen.
Neufassung der nordrhein-westfälischen Bauordnung in Kraft getreten
15. Juli 2021
1. Maßgebliche inhaltliche Änderungen
In materieller Hinsicht sind insbesondere folgende Änderungen erwähnenswert:
Der Gesetzgeber hat Anpassungen im Abstandsflächenrecht vorgenommen. So reicht fortan in Kerngebieten eine Abstandsflächentiefe von 0,25 H aus. Der Gesetzgeber kehrt insoweit zur früheren Rechtslage zurück, nachdem mit der BauO NRW 2018 zwischenzeitlich eine Abstandsflächentiefe von 0,4 H eingeführt worden war. Ebenfalls bleiben nunmehr Maßnahmen zum Zwecke der Energieeinsparung und Solaranlagen an bestehenden Gebäuden bis zu einer Stärke von 0,30 m bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht. Angepasst wurde auch die bislang sprachlich verunglückte Regelung in § 6 Abs. 8 BauO NRW zu den innerhalb von Abstandsflächen zulässigen Anlagen. Schließlich wurde in § 6 Abs. 14 BauO NRW nunmehr eine Spezialregelung zur Erteilung von Abweichungen von den Vorschriften zum Abstandsflächenrecht eingeführt, welche ausdrücklich klarstellt, dass in Abweichung von der früheren Rechtsprechung zur Erteilung von Abweichungen keine „atypische“ Grundstücksituation erforderlich ist.
Zur Diskussion führen wird sicherlich die Regelung in § 8 Abs. 2 BauO NRW, wonach bei neu gebauten offenen Parkplätzen von Nicht-Wohngebäuden ab einer Größe von 35 Stellplätzen Photovoltaikanlagen zu installieren sind, wenn der Bauantrag ab dem 01.01.2022 bei der Bauaufsichtsbehörde eingeht. Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 2 S. 4 BauO NRW allerdings vorgesehen, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde insbesondere aus städtebaulichen Gründen Ausnahmen oder eine Befreiung zulassen kann. Dies steht allerdings im Ermessen der Behörde.
An verschiedenen Stellen des Gesetzes finden sich darüber hinaus Regelungen zur Erleichterung des Ausbaus von Dachgeschossen zu Wohnzwecken, etwa im Hinblick auf Abmilderung von Anforderungen des Brandschutzes (§ 30 Abs. 5 S. 4 BauO NRW) oder den Verzicht auf die Verpflichtung zum Einbau eines Aufzugs bei Dachausbauten und Aufstockungen von vor dem 01.01.2019 errichteten Gebäuden (§ 39 Abs. 4 BauO NRW).
Neugefasst wurde auch die Vorschrift zu den notwendigen Stellplätzen in § 48 BauO NRW, welche nun wesentlich knapper gefasst ist. In § 48 Abs. 1 BauO NRW werden nunmehr die Errichtung von notwendigen Stellplätzen auf dem Grundstück und der Nachweis von Stellplätzen auf einem in der Nähe befindlichen Grundstück und deren Sicherung mittels Baulast gleichgestellt.
Die in der Praxis stark diskutierte und mitunter auch kritisierte Vorschrift zur Barrierefreiheit in § 49 BauO NRW wurde im Zuge der Änderung ebenfalls angepasst: Ausweislich der Gesetzesbegründung soll sich der erforderliche Umfang der Barrierefreiheit aus der über die VV TB NRW eingeführten Fassung der DIN 18040 ergeben. § 49 Abs. 2 S. 3 BauO NRW enthält nunmehr zudem klarstellende Regelbeispiele zur Frage, wann vom Vorliegen eines öffentlich zugänglichen Gebäudes auszugehen ist.
2. Änderungen am bauaufsichtlichen Verfahren
Daneben finden sich im geänderten Gesetz auch zahlreiche verfahrensrechtliche Änderungen:
So sind bspw. Dachgauben und Dachaufbauten künftig unter bestimmten Umständen genehmigungsfrei, auch die in der BauO NRW 2018 gestrichene (in der damaligen Gesetzesbegründung aber nach wie vor in Bezug genommene) Regelung zur Genehmigungsfreiheit von Änderungen tragender oder aussteifender Bauteile im Gebäudeinneren wurde wieder in § 62 BauO NRW aufgenommen. Genehmigungsfrei ist künftig auch die Erneuerung von Balkonen bzw. deren Austausch durch Altane.
Hervorzuheben sind die Anpassungen im Rahmen des nunmehr wieder als vereinfachten Genehmigungsverfahren bezeichneten Verfahrens. Diesbezüglich ist insbesondere auf die in § 64 Abs. 2 BauO NRW nunmehr vorgesehene Möglichkeit zur Abgabe einer Nutzungsänderungsanzeige für zeitlich begrenzte Nutzungsänderungen hinzuweisen. Nutzungsänderungen, welche auf einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten begrenzt sind, sind damit grundsätzlich nicht mehr genehmigungspflichtig.
Ebenfalls ausgeweitet wurde die Vorschrift zu Abweichungstatbeständen in § 69 BauO NRW, welche nunmehr ermessenslenkende Regelungen für die Zulassung von Abweichungen bei bestehenden Anlagen zur Schaffung von Wohnraum, Energie- oder Wassereinsparung sowie zur Erhaltung und Nutzung von Denkmälern vorsieht. Durch die umfangreiche Neuregelung wird das behördliche Ermessen bezüglich der Erteilung von Abweichungen eingeschränkt.
§ 70 Abs. 1 BauO NRW verweist nunmehr auf eine neu eingeführte Verordnungsermächtigung in § 87 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 BauO NRW, welche es der Exekutive erlauben soll, das Verfahren zur elektronischen Abwicklung der (Genehmigungs-)Verfahren nach der BauO NRW zu regeln („digitaler Bauantrag“).
Gem. § 71 Abs. 2 BauO NRW muss die Bauaufsicht den Bauherrn zukünftig mitteilen, wann genau mit der Erteilung der Baugenehmigung zu rechnen ist. Das Gesetz sieht allerdings keine Rechtsfolgen für den Fall einer Nichteinhaltung dieser Frist vor.
Gem. § 82 Abs. 2 BauO NRW kann die Bauaufsichtsbehörde zukünftig die Beseitigung einer baulichen Anlage vom Eigentümer verlangen, sofern die Anlage nicht genutzt und im Verfall begriffen ist. Dies war bislang nur über die sog. „Generalklausel“ bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen möglich.
3. Inkrafttreten und Übergangsregelung
Die geänderte BauO NRW ist am Tag nach ihrer Verkündung und damit am 02.07.2021 in Kraft getreten. Die neuen und geänderten Vorschriften sind damit von den Bauaufsichtsämtern, Bauherrn und Planern bereits anzuwenden. Allerdings existieren soweit ersichtlich bislang noch keine geänderten Antragsformulare, Auslegungshilfen oder Verwaltungsvorschriften zur geänderten BauO NRW, sodass zumindest zu Beginn mit Rechtsunsicherheiten zu rechnen sein dürfte.
Eine Übergangsregelung findet sich allerdings in § 90 Abs. 4 BauO NRW. Hiernach sind bis zum 02.07.2021 eingeleitete Verfahren nach den zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Verfahrensvorschriften vorzuführen. Es besteht allerdings ein Wahlrecht des Antragstellers, eine Bescheidung nach den Regelungen der geänderten Bauordnung zu beantragen.
Die aktuelle Fassung des Gesetzes ist hier abrufbar.
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