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Vertragsstrafen drohen Auftragnehmern auch bei vorzeitiger Kündigung

18. August 2021

Bauverträge sehen in der Praxis regelmäßig Vertragsstrafen für den Fall vor, dass der Auftragnehmer mit einem vereinbarten Zwischen- bzw. Fertigstellungstermin in Verzug gerät. Fraglich ist jedoch, wie es sich verhält, wenn der Auftragnehmer das Bauprojekt nie fertigstellt, sondern der Bauvertrag zuvor wirksam gekündigt wird.

Im Vereinigten Königreich hat der Oberste Gerichtshof am 16. Juli 2021 eine wegweisende Entscheidung in Bezug auf die Auslegung von Vertragsstrafe-Klauseln bei einer derartigen Sachlage gefällt (Triple Point Technology, Inc v PTT Public Company Ltd [2021] UKSC 29).

Zwar spielt der der Entscheidung zugrundeliegende Fall nicht unmittelbar im Baugewerbe, dennoch hat die Entscheidung aufgrund des Vorliegens einer typischen Bauvertragskonstellation hohe Praxisrelevanz für die Baubranche.

Der Fall Triple Point Technology Inc v PTT Public Company Ltd

Gegenstand des Falls war die Lieferung und Installation von Softwaresystemen. Dabei waren die zu liefernden Arbeiten in verschiedene Teilabschnitte unterteilt. Bei erfolgreichem Abschluss eines Abschnitts zu dem im Vertrag vereinbarten Termin, wurde der entsprechende Teil des Vertragspreises fällig. Für das Auftreten von Verzögerungen enthielt der Vertrag folgende Vertragsstrafe-Klausel:

“If CONTRACTOR fails to deliver work within the time specified and the delay has not been introduced by PTT, CONTRACTOR shall be liable to pay the penalty at the rate of 0.1% (zero point one percent) of undelivered work per day of delay from the due date for delivery up to the date PTT accepts such work …”

Der Auftragnehmer kam mit den Ausführungen seiner Arbeiten stark in Verzug. Die ersten beiden Abschnitte schloss er mit einer Verzögerung von 149 Tagen ab. Ohne den Abschluss weiterer Abschnitte wurde der Vertrag vom Auftraggeber gekündigt.

Schließlich kam es zwischen den Parteien zu einem Rechtsstreit, in welchem der Auftraggeber von dem Auftragnehmer, unter anderem, Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Verzögerung der Arbeiten forderte.

Das Urteil des Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs

Eine der Kernfragen, mit der sich die britischen Richter in ihrem Urteil auseinandersetzen, ist, ob die oben genannte Vertragsstrafe-Klausel Anwendung findet, sofern die Arbeiten sich zwar verzögert haben, der Vertrag jedoch gekündigt wurde, bevor die Arbeiten überhaupt abgeschlossen waren – mithin eine Abnahme der Arbeiten nie stattgefunden hat.

Diese Frage wurde im Laufe der Instanzen unterschiedlich beantwortet. So entschied das Berufungsgericht noch, dass die Vertragsstrafe-Klausel nicht anwendbar sei. Die Klausel sei vielmehr für ein anderes Szenario gedacht, bei dem der Auftragnehmer die Arbeiten abschließe. Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr mit seinem Urteil in Großbritannien für Klarheit gesorgt. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Vertragsstrafe-Klausel für den Zeitraum der Verzögerung bis zur Kündigung des Vertrags Anwendung finde. D.h., auch im Falle einer Kündigung vor Fertigstellung der Arbeiten habe der Auftraggeber Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Abnahme der Arbeiten sei keine Voraussetzung des Anspruchs.

Das Gericht begründet seine Ansicht mit dem Wortlaut der Klausel des gegenständlichen Vertrags. Die Klausel sehe die Abnahme als bloßes Enddatum für das Bestehen des Vertragsstrafe-Anspruchs vor und nicht als Bedingung für die Entstehung des Anspruchs auf die Vertragsstrafe per se. Der Anspruch auf die Vertragsstrafe sei mit dem Eintritt des Verzugs entstanden und solle im Falle einer Kündigung nicht verloren gehen.

Laut der Richter führe es zudem zu einem paradoxen Ergebnis, wenn man die Abnahme der Arbeiten als Bedingung für die Entstehung des Vertragsstrafe-Anspruchs ansähe: Ein Auftragnehmer, welcher sich in erheblichem Verzug befände, hätte einen Anreiz, die Arbeiten gar nicht zu Ende zu führen, sofern er allein bei Abnahme der fertiggestellten Arbeiten verpflichtet wäre, eine Vertragsstrafe zu zahlen.  

Rechtslage in Deutschland

In Deutschland ist die Frage der Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass der Bauvertrag vor Fertigstellung der Arbeiten gekündigt wird, bislang höchstrichterlich nicht geklärt.

Der BGH hat sich im Jahre 1981 (Urt. v. 09.04.1981, VII ZR 192/80) zwar mit einem ähnlich gelagerten Fall auseinandergesetzt, in der zugrundliegenden Entscheidung hat der BGH aber nicht abschließend geklärt, ob dem Auftraggeber ein Anspruch auf Vertragsstrafe bei vorzeitiger Kündigung zusteht, auch wenn ein Dritter und nicht der Auftragnehmer das Werk fertigstellt. Zumindest deutet die Entscheidung aber darauf hin, dass der BGH Vertragsstrafe-Ansprüchen in derartigen Konstellationen nicht per se eine Absage erteilt.

Praxishinweis

In Anbetracht der Entscheidung des Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs müssen Auftragnehmer auch in Deutschland damit rechnen, bei Auftreten von Bauverzögerungen Vertragsstrafen selbst dann zahlen zu müssen, wenn der Auftraggeber vorzeitig kündigt und sie das Bauvorhaben nie fertigstellen.

Solange keine klarstellende Entscheidung des BGH existiert, sind Parteien in Deutschland gut daran gehalten, Bauverträge entsprechend klar auszugestalten. Vertragsstrafe-Klauseln sollten je nach Interessenlage deutlich herausstellen, ob Vertragsstrafen auch im Falle der Kündigung des Vertrags unabhängig von einer Fertigstellung des Bauwerks zu zahlen sind.

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