Streichung von § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV
Am 24.08.2023 ist die sog. eForms-Verordnung in Kraft getreten. Mit ihr ist auch § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV gestrichen worden. Diese Vorschrift regelte bisher, dass bei der Vergabe von Planungsleistungen in mehreren Teilen (Losen) nur die Werte „gleichartiger“ Planungsleistungen zusammenzufassen sind, um zu bestimmen, ob der einschlägige EU-Schwellenwert überschritten ist. Bei einer solchen Überschreitung sind alle Teilleistungen europaweit zu vergeben.
§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgV wurde überwiegend so interpretiert, dass bei der Auftragswertschätzung zwar alle Leistungsphasen eines Leistungsbildes (Objektplanung, Tragwerksplanung, Freianlagenplanung, etc.) zusammenzufassen sind, nicht jedoch Leistungen unterschiedlicher Leistungsbilder, die für ein bestimmtes Bauvorhaben erbracht werden sollen. Das Problem dabei: Die europäischen Vergaberichtlinie 2014/24/EU enthält keine Bestimmung, die § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV entspricht.
VgV wieder im Einklang mit dem EU-Recht
Ob § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV in Einklang mit dem EU-Recht steht, war seit langem umstritten und hatte nicht nur zu Beanstandungen der Europäischen Kommission geführt. Auch deutsche Nachprüfungsinstanzen hatten vereinzelt auf den wirtschaftlichen und technischen Zusammenhang unterschiedlicher Leistungsbilder abgestellt und mit dieser funktionalen Betrachtungsweise die Ausschreibungspflicht Planungsleistungen deutlich ausgeweitet (so etwa OLG München v. v. 13.03.2017 - Verg 15/16; VK Westfalen v. 18.12.2019 – VK 1-34/19).
Aus Sicht der Bundesregierung ist mit der Aufhebung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV zwar keine Änderung des Rechtsrahmens verbunden, da die Feststellung, dass nur die Werte gleichartiger Planungsleistungen zusammenzurechnen sind, seinerzeit lediglich deklaratorisch erfolgt sei (vgl. Begr. eForms-Verordnung BT-Drs. 20/6118, S. 28). Jedenfalls die Rechtspraxis wird sich jedoch ändern müssen, um den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen
Wie geht es nun weiter?
Bei der Auftragswertschätzung von Architekten- und Ingenieurleistungen ist künftig also nur noch auf den wirtschaftlich-technischen Zusammenhang der einzelnen Leistungen abzustellen. Der ist typischerweise bei allen Planungsleistungen für ein bestimmtes Bauvorhaben gegeben, denn nicht nur die einzelnen Leistungsphasen oder Leistungsstufen eines Leistungsbildes, sondern auch die Leistungen unterschiedlicher Planungsarten werden normalerweise aufeinander abgestimmt erbracht. Das deckt sich mit der Rechtsprechung des EuGH, der in der Rechtssache „Autalhalle Niedernhausen“ (EuGH v. 15.03.2012 – C-574/10) festgestellt hatte, dass Leistungen, die in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine „innere Kohärenz“ und eine – so die Begriffsschöpfung des EuGH – „funktionelle Kontinuität“ aufweisen, bei der Schätzung des Schwellenwertes nicht aufgeteilt werden dürfen.
Bewältigung des Mehraufwands für Vergabestellen
Schon bei kleineren Bauvorhaben, bei denen der Wert der Bauleistungen den für Bauleistungen geltenden EU-Schwellenwert nicht erreicht, werden Planungsleistungen in Zukunft europaweit auszuschreiben sein, weil diese den EU-Schwellenwert für Dienstleistungen in toto übersteigen. Geht man von einem Nebenkostenanteil (KG 700) von 20 % aus, so liegen die Planungskosten bereits bei Netto-Baukosten von 1 Million € im Beriech des derzeitigen Schwellenwertes von 215.000 € netto. Damit ist ein erheblicher Mehraufwand für die Auftraggeber bei ohnehin angespannter Personalsituation verbunden. In dieser Situation können die Anwendung der sog. 80/20-Regelung (§ 3 Abs. 9 VgV) hilfreich sein, vorausschauend vergebene Rahmenvereinbarungen über Planungsleistungen oder auch „Expressvergaben“ mit weitgehend standardisierten und zeitlich optimierten Vergabeprozessen, auch im Rahmen offener Verfahren. Kapellmann unterstützt in allen diesen Varianten mit praxiserprobten Vergabemodellen.