Flughäfen aktuell 08/2020: Kommission genehmigt staatliche Förderung von deutschen Flughäfen in der COVID-19-Krise
12. August 2020
Die staatliche Kompensation von Flughäfen für die Verluste aufgrund der COVID-19-Krise ist nunmehr möglich. Dies war praktisch seit Beginn der Krise gefordert worden, da die Grenzschließungen und Reisebeschränkungen die Flughäfen besonders hart treffen und diese Belastungen auch noch länger andauern werden. Auf der einen Seite bricht ein Großteil der Einnahmen weg, auf der anderen Seite bleiben die Kosten wegen des hohen Fixkostenanteils weitgehend gleich. Anders als andere Wirtschaftsbereiche treffen sie zudem Vorhaltekosten, da die Flughäfen weiterhin betriebsbereit bleiben und angeflogen werden können. Um dem Bedürfnis der Flughäfen nach einer Kompensation der Corona-bedingten Verluste nachzukommen und so die Sicherung des Betriebs zu gewährleisten, hatte die Bundesregierung die „Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze“ bei der Europäischen Kommission („Kommission“) bereits im Mai 2020 angemeldet. Nun hat die Kommission diese am 10. August 2020 (SA.57644) genehmigt.
Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte der neuen Bundesrahmenregelung erläutert und insbesondere dargestellt, was die Besonderheiten dieser Fördermaßnahme sind (dazu 1.), für welche Flugplätze eine Förderung in Betracht kommt (dazu 2.), für welche Kosten sie einen Ausgleich beantragen können (dazu 3.), in welcher Form ein Ausgleich gewährt werden kann (dazu 4.) und wie die Förderung durchgeführt wird (dazu 5.), bevor der Beitrag mit einem Fazit und Ausblick abgeschlossen wird (dazu 6.).
1. Was sind die Besonderheiten der Bundesrahmenregelung?
Obwohl Flughäfen durch die COVID-19-Krise besonders hart getroffen waren, mussten sie lange auf besondere Fördermöglichkeiten warten. Von den meisten in der Krise aufgelegten deutschen Förderprogrammen sind sie ausschlossen, soweit es sich um öffentliche Unternehmen handelt. Zudem soll die Förderung von Flughäfen grundsätzlich im Einklang mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften („Flughafenleitlinien“) der Kommission erfolgen, die auf den Luftverkehrssektor zugeschnitten sind. Seitens der Kommission mag eine gewisse Skepsis bestanden haben, ob außerhalb dieses Rahmens eine Förderung von Flughäfen mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Bisher hatte sie zwar die Unterstützung von Airlines durch Dänemark (SAS), Deutschland (Condor und Lufthansa), Finnland (Finnair), Frankreich (u.a. Air France), Schweden (SAS) und Rumänien (Unterstützungsprogramm des Oradea Flughafens zugunsten dort ansässiger Airlines) genehmigt, aber nur wenige Maßnahmen für Flughäfen (Stundung von Konzessionsgebühren für die Flughäfen Charleroi und Lüttich, Belgien, sowie Zuschüsse für den Flughafen Timişoara, Rumänien) spezifisch mit den Folgen der Krise begründet. Der Beschluss der Kommission zum Flughafen Saarbrücken (SA.55302) unterscheidet sich von den krisenbezogenen Beschlüssen, da in diesem Fall nur die Berechnung der Betriebsbeihilfe wegen der Krise angepasst wurde, die Genehmigung aber anhand der „normalen“ Voraussetzungen der Flughafenleitlinien erfolgte.
Die Bundesrahmenregelung wurde – entgegen der ursprünglichen Planung – auf zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt, Art. 107 Abs. 2 lit. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) und Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV. Mit Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV können nur die durch die Krise entstandenen Schäden ersetzt werden (dazu unter 3.). Sofern auf Grundlage der Bundesrahmenregelung dagegen gemäß Art. 107 Abs. 3 lit. b) AEUV den Flughäfen Liquidität (in Form von Zuschüssen, Darlehensgarantien, Zinsvergünstigungen sowie Stundungen bestimmter Steuern und anderer Abgaben) gewährt werden soll, knüpft sie an die Darlehens- und Garantieprogramme des Bundes an. Wie diese hat die Kommission sie auf der Grundlage des spezifisch für die Folgen der COVID-19-Krise erlassenen „Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19“ („Befristeten Rahmen“, dazu Praxisinfo vom 24. März 2020) genehmigt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Zuschüsse zum Ersatz von Schäden, die sich auf Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV stützen.
Art. 107 Abs. 2 lit. b) AEUV gilt bei Kompensationszahlungen im Falle von Naturkatastrophen oder sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen, als welche auch die aktuelle Krise von der Kommission eingestuft worden ist. Eine Besonderheit ist, dass Beihilfen nach Art. 107 Abs. 2 lit. b) AEUV auch bei Unternehmen in Schwierigkeiten in Betracht kommen. Sofern nur die unmittelbar aufgrund des COVID-19-Ausbruchs entstandenen Schäden ersetzt werden, bedarf es daher keiner Prüfung, ob die jeweiligen Empfänger Unternehmen in Schwierigkeiten sind, d.h. auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung ihrer Geschäftstätigkeiten gezwungen sein werden, wenn der Staat nicht eingreift.
2. Wer ist antragsberechtigt?
Nach der Bundesrahmenregelung sind alle Flugplätze antragsberechtigt, die im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die wirtschaftliche Tätigkeit des Erbringens von Flugplatzdienstleistungen für Luftverkehrsgesellschaften ausüben, die wegen der COVID-19-Pandemie ihren Betrieb reduziert oder eingestellt haben und durch den Rückgang des Passagier- und Frachtverkehrs Einnahmeausfälle erlitten haben, die unmittelbar auf den Pandemieausbruch im Zeitraum vom 04. März bis 30. Juni 2020 zurückzuführen sind. Gleiches gilt für Flugplätze in Deutschland, die infolge der in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus auferlegten Maßnahmen in Liquiditätsnot geraten sind. Das bedeutet, dass Flugplätze jeder Größe, insbesondere auch große Flughäfen mit mehr als fünf Mio. PAX, in den Genuss der Förderung kommen können. Eine Einschränkung der Antragsberechtigung zugunsten kleinerer Flughäfen ist also – anders als in den Flughafenleitlinien der Kommission und in Art. 56a der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) – nicht vorgesehen.
Zu beachten ist jedoch, dass die Bundesrahmenregelung nur vorübergehend, nämlich bis zum 31. Dezember 2020, gilt. Eine Antragstellung ist nur bis zum 30. September 2020 möglich.
3. Welche Hilfsmaßnahmen sieht die Bundesrahmenregelung vor?
Ersetzt werden können zum einen Einnahmeausfälle, die unmittelbar auf den Coronavirus-Ausbruch im Zeitraum 04. März bis 30. Juni 2020 zurückzuführen sind. Darunter fallen Ausfälle sowohl bei den Luftverkehrsentgelten als auch bei Non-Aviation-Erlösen (z.B. Mieten, Parkgebühren, Werbeeinnahmen). Dazu wird die Höhe der beihilfefähigen Kosten als Differenz zwischen den auf Grundlage des Referenzzeitraums im Vorjahr (04. März 2019 – 30. Juni 2019) regulär erwarteten Erlösen und den tatsächlich erwirtschafteten Erlösen im Wege einer Ex-Post-Betrachtung berechnet. Zusätzliche Kosten, die aufgrund der COVID-19-Krise verursacht werden (z.B. Hygieniemaßnahmen), können dagegen – soweit ersichtlich – nicht ersetzt werden.
Zum anderen können Flughäfen für Liquiditätsengpässe, die sie infolge der in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus auferlegten Maßnahmen erleiden, Hilfsmaßnahmen wie Zuschüsse (begrenzt auf 800.000 EUR pro Antragsteller), Darlehensgarantien und Zinsvergünstigungen gewährt werden. Diese fallen unter bestehende Regelungen, die von der Kommission bereits auf der Grundlage des Befristeten Rahmens genehmigt wurden („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“, „Bundesregelung für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“ und „Bundesregelung Bürgschaften 2020“) und wurden daher von der Kommission nicht noch einmal erneut geprüft.
Ferner hat die Kommission genehmigt, dass Steuern und Abgaben nach den Voraussetzungen des Befristeten Rahmens gestundet werden können, wobei eine solche Beihilfe spätestens am 31. Dezember 2020 gewährt werden muss und die Stundung nicht über den 31. Dezember 2022 hinausgehen darf.
Um Überkompensationen zu vermeiden, werden bei der Berechnung jedoch tatsächlich erhaltene Ausgleichsleistungen sowie die Änderung zentraler Parameter (z.B. Strom oder Kraftstoffpreise) oder sonstiger Ersparnisse (z.B. die durch Kurzarbeit vermiedenen oder ersparten Aufwendungen) berücksichtigt. Sofern der Flughafen andere Beihilfen zum Ausgleich der förderfähigen Schäden erhält, sind diese ebenfalls anzurechnen. Insbesondere ist sicherzustellen, dass keine Überkompensation der pandemiebedingten wirtschaftlichen Nachteile erfolgt. Die so ermittelten Schäden sind bis zu 100 % beihilfefähig. Über die genaue Höhe entscheidet der jeweilige Fördermittelgeber, der dabei jedoch die Eigentümerverhältnisse bzw. Gesellschafterstrukturen zu berücksichtigen und die Höhe der Beihilfen entsprechend der Höhe der jeweiligen Anteile zu begrenzen hat. Im Falle von öffentlichen und privaten Gesellschafter kann der Schaden also nur in voller Höhe ersetzt werden, wenn sich die privaten Gesellschafter anteilig beteiligen.
4. Welche Fördermöglichkeiten gibt es insbesondere für Einnahmeausfälle?
Nach der Bundesrahmenregelung soll der Ersatz von Einnahmeausfällen nur durch Beihilfen in Form von Zuschüssen gewährt werden. Andere Förderinstrumente kommen dagegen nur in Betracht, wenn sie auf Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV und den Befristeten Rahmen gestützt sind und die damit verbundenen Voraussetzungen eingehalten werden.
Nach unserem Verständnis ist es nach der Bundesrahmenregelung zulässig, dass unabhängig von der COVID-19-Pandemie gewährte Beihilfen (bspw. Betriebs- oder Investitionsbeihilfen) grundsätzlich zusätzlich gewährt werden dürfen. Sofern allerdings bei der Berechnung dieser Beihilfen die Erlösausfälle durch die COVID-19-Krise bereits einbezogen werden, kommt eine (zusätzliche) Förderung aufgrund der Bundesrahmenregelung nicht in Betracht. Die Flexibilität, bestehende Beihilfemaßnahmen zu ergänzen, ist an sich zu begrüßen. In der Praxis könnte sich diesbezüglich jedoch die Schwierigkeit der Abgrenzung eines ohnehin erwarteten Defizits, das mit regulären Betriebsbeihilfen geschlossen werden darf, von dem zusätzlichen COVID-19-Defizit ergeben, das darüber hinaus gefördert werden darf. Viele Flughäfen werden krisenbedingt ohnehin ihre Businesspläne für den Förderzeitraum bis April 2024 anpassen müssen. In welcher Form die Flughafenleitlinien fortgeführt werden, ist gegenwärtig Gegenstand einer Evaluierung der Kommission, wobei die Folgen der COVID-19-Krise Berücksichtigung finden müssen.
Zu beachten ist außerdem, dass Unternehmen, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten befanden, keine Unterstützungsmaßnahmen zur Sicherung der Liquidität (anders als der Ersatz von Einnahmeausfällen) nach Maßgabe der Bundesrahmenregelung gewährt werden können. Abweichend sind jedoch Beihilfen für kleine und Kleinstunternehmen möglich, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten befanden. Voraussetzung dafür ist jedoch wiederum, dass diese Unternehmen nicht Gegenstand eines Insolvenzverfahrens nach nationalem Recht sind und sie weder Rettungsbeihilfen noch Umstrukturierungsbeihilfen erhalten haben.
5. Wie wird die Förderung durchgeführt?
Nach den Bundesrahmenregelungen sind die jeweiligen Beihilfegeber für die Durchführung, Überprüfung und Auszahlung zuständig. In Ausnahmefällen ist denkbar, dass die Beihilfegeber auf Grundlage einer vorläufigen Berechnung die Förderung gewähren. Nach Ende des für die Schadensberechnung maßgeblichen Zeitraums am 31. Dezember 2020 muss die Berechnung des tatsächlichen Schadens jedoch zwingend erfolgen. Denn die Beihilfeempfänger sind verpflichtet, den beihilfegebenden Stellen den tatsächlich entstandenen Schaden (dazu 3.) nachzuweisen. Eine etwaige Überkompensation muss zurückgefordert werden.
Um der Kommission eine Überprüfung zu ermöglichen, muss der Beihilfegeber alle relevanten Unterlagen zehn Jahre aufbewahren. Zudem erhält die Kommission eine Liste aller Einzelbeihilfen, die auf Grundlage der Bundesrahmenregelung gewährt werden. Schließlich muss der Beihilfegeber alle relevanten Informationen zu jeder auf der Grundlage dieser Regelung gewährten Einzelbeihilfe über 100.000 EUR auf einer Webseite veröffentlichen. Diese Transparenzpflichten erscheinen möglicherweise recht weitgehend, sind jedoch in anderen Bereichen bereits üblich.
6. Fazit und Ausblick
Mit der „Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze“ hat die Bundesregierung im Rahmen des beihilferechtlich Möglichen ein Instrument geschaffen, mit dem den besonders stark belasteten Flughäfen unter die Arme gegriffen werden kann, um die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise abzufedern. Abzuwarten wird sein, welche staatlichen Stellen von der eröffneten Fördermöglichkeit tatsächlich Gebrauch machen. Dies wird sich nicht nur nach der finanziellen Situation der jeweiligen Flughäfen, sondern auch nach der Haushaltslage der jeweiligen Bundesländer, Kommunen und Anteilseigner richten. Die Begrenzung insbesondere der Zuschüsse bei Liquiditätsengpässen dürfte dazu führen, dass vor allem kleineren Regionalflughäfen effektiv geholfen werden kann, da größere Flughäfen signifikant höhere Fehlbeträge verzeichnen dürften. Diese gewisse Privilegierung kleinerer Flughäfen entspricht allerdings der Logik der Flughafenleitlinien, welche für diese höhere Förderintensitäten erlauben.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob gerade Regionalflughäfen in der Lage sein werden, sich trotz der Fördermöglichkeiten über die Krise zu retten. Insbesondere ist die Beschränkung von Zuschüssen zum Ausgleich von zwischen dem 04. März und dem 30. Juni 2020 erlittenen Einnahmeausfälle vor dem Hintergrund der weiterhin für Flughäfen geltenden Einschränkungen sehr eng bemessen. Das Verkehrsaufkommen wird aufgrund der COVID-19-Krise voraussichtlich noch länger erheblich reduziert sein wird. Es liegt daher nahe, dass die Bundesrahmenregelung verlängert werden oder die Kommission– wie im Falle des Flughafens Saarbrücken – die Folgen der Krise bei der Berechnung der Betriebsbeihilfen berücksichtigen muss. Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie für den Luftverkehrsbereich dürften auch in eine Überarbeitung der Flughafenleitlinien einfließen, die gegenwärtig durch die Kommission evaluiert wird. Zugleich ist zu beachten, dass die Kommission – als die für ganz Europa zuständige Genehmigungsbehörde – im Hinblick auf Flughäfen jedenfalls keine besondere Großzügigkeit walten lässt, sondern davon auszugehen scheint, dass sich diese an die sich nachhaltig ändernden Marktbedingungen zügig anpassen müssen. Denn der Flugverkehrssektor dürfte auf Jahre hinaus von den Langzeitfolgen der Pandemie in besonderem Maße betroffen sein.
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