Jedes Unternehmen, das Wohnungen errichtet oder umfangreich saniert und sie später verkauft, kennt den zu vollziehenden Spagat im Bereich der anfallenden Abnahmen, bei denen es zunächst auf der Seite des Abnehmenden und später auf der Seite des die Abnahme Verlangenden steht. Hierdurch entsteht gleichzeitig die Gefahr des Auseinanderfallens der jeweiligen Gewährleistungszeiträume.
Dauerbrenner Abnahmesynchronisation: Wohnungsbauende im Spagat
30. April 2021
Positionswechsel im Entstehungsprozess
Als Auftraggeber steht der Wohnungsbauende zunächst in vertraglicher Verbindung zu seinen Planern und Ausführenden. Er muss nach Abschluss der jeweiligen Arbeiten die Leistungen abnehmen. Später schließt er als Verkäufer der zu errichtenden Wohnung Kaufverträge mit den Erwerbern, die aber wegen des Errichtungsparts auch werkvertragliche Elemente aufweisen. Nach Fertigstellung wünscht er sich daher von den Erwerbern die Abnahme. Generell nimmt der Wohnungsbauende in diesem Entstehungsprozess also unterschiedliche und diametrale Positionen ein.
Zeitlicher Ablauf birgt Gefahren
Während dieser Positionswechsel in aller Regel unproblematisch bewerkstelligt werden kann, spielt der zeitliche Ablauf eine große Rolle und birgt Gefahrenpotential. Die Abnahmen mit den am Bau Beteiligten stehen naturgemäß früher an als die Abnahmen mit den Erwerbern. Mit der Abnahme beginnen die Gewährleistungszeiträume. Das zeitliche Delta zwischen den jeweiligen Abnahmen kann durchaus erheblich sein, insbesondere bei den Planern und frühen Gewerken wie dem Rohbau oder dem Dach, in denen aber auch großes Mangelpotential ruht.
Selbstverständlich überlappen sich die Gewährleistungszeiträume (Auftraggeber/Verkäufer – Baubeteiligter und Auftraggeber/Verkäufer – Erwerber) zu einem großen Teil. Gerade bei den Planern und frühen Gewerken entsteht aber nicht selten die Situation, dass das Ende der Gewährleistung droht, während sich die Erwerber über ihr Ende der Gewährleistung noch gar keine Gedanken machen. Mangelpositionen sind unbekannt oder schwelen vor sich hin. Jedes Wohnungsbauunternehmen weiß, dass sich die Erwerber und die sich hieraus zusammensetzenden Wohnungseigentümergemeinschaften erst gegen Ablauf ihrer eigenen Gewährleistung rühren und etwaig bestehende Mängel dokumentieren und geltend machen. Es kann passieren, dass zu diesem Zeitpunkt die Gewährleistung gegenüber dem Planer oder Handwerker bereits endete. Ein einfaches und der Praxis entnommenes Beispiel für die Ungläubigen: der Bauträger ließ ein Objekt bis zur Ausführungsplanung planen. Die Planung lag im Juni 2014 vor und wurde Ende Juli 2014 abgenommen und bezahlt. Die Gewährleistung endet spätestens Ende Juli 2019. Die Realisierung kommt etwas ins Stocken, der Rohbauer beginnt erst im Frühjahr 2015. Er holt aber auf und bring seine Arbeiten bis Ende Oktober 2015 zur Abnahme. Seine Gewährleistung endet daher Ende Oktober 2020. Im weiteren Verlauf hatte der Bauträger mit zwei Unternehmen Pech, was das Projekt weiter verzögert. Fertigstellung war deswegen erst im Juni 2017 statt wie geplant im Juni 2016. Die erste Abnahme eines Erwerbers findet auch im Juni 2017 statt. Dessen Gewährleistung endet im Juni 2022. Das zeitliche Delta beträgt daher im Fall des Planers 2 Jahre und 11 Monate und im Fall des Rohbauers 8 Monate. Es stellen sich Mängel ein, die auf die Planung und den Rohbau zurückgehen. Die betroffenen Eigentümer ärgern sich schon länger darüber, behalten dies aber für sich und leiten auf anwaltlichen Rat erst im März 2021 ein Beweisverfahren ein. Der Bauträger hatte keine Chance seine Ansprüche gegenüber den am Bau Beteiligten zu sichern.
Lösungsansätze
Wie geht man mit dieser Schwierigkeit um? Um es vorweg zu sagen: eine Patentlösung mit 100 %iger Sicherheit gibt es nicht.
Das liegt daran, dass der einfachsten Variante, nämlich der Verlängerung der Gewährleistungsfristen der am Bau Beteiligten, enge rechtliche Grenzen gesetzt sind. Die Gewährleistungsfrist lässt sich in den üblichen Standardverträgen nicht beliebig verlängern. Genauso führt die rechtliche Situation zur Bestimmung von Beginn und Ende der Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft zu einer Verschärfung der Situation.
Denkbar ist natürlich die Einholung von Verjährungsverzichtserklärungen. Das setzt aber Kenntnis von Beanstandungen der Erwerber und die Bereitschaft der Verantwortlichen voraus. Ebenso setzt die Einleitung eigener gerichtlicher Verfahren zur Verjährungshemmung die Kenntnis von den Mängeln voraus, die es eben nicht immer gibt.
Gefragt sind deshalb kreative Varianten, die gewerkeweise Lösungen oder gemeinsame Begehungsrechte vorsehen. In jedem Fall ist der konkrete Einzelfall in den Blick zu nehmen, um das latente Risiko, soweit es geht, zu reduzieren.
#wohnungsbau_kapellmann
Unser Kompetenzteam Wohnungsbau berät bundesweit Projektentwickler, Wohnungsbauunternehmen und Investoren. Es bündelt die Expertise und langjährige Erfahrung aus allen für den Wohnungsbau relevanten Bereichen: Immobilienrecht, öffentliches Recht, Vergaberecht, Bau- und Architektenrecht, Mietrecht wie auch IT- und Datenschutzrecht. Mehr hier