Am 01.01.2021 ist die HOAI 2021 in Kraft getreten. Seitdem findet für die ab diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Planerverträge das harte Preisrahmenrecht der HOAI 2013 keine Anwendung mehr. Fortan gilt der Grundsatz einer bloßen Preisorientierung.
Fraglich ist, ob mit der Änderung der Honorarordnung tatsächlich eine Erhöhung der Flexibilität auch auf Seiten der Auftraggeber von Wohnungsbauprojekten und ihren Planungsbeteiligten verbunden ist. Dies ist im Einzelfall kritisch zu hinterfragen.
Bisherige Rechtslage
Die HOAI 2013 sah vor, dass sich das Honorar für die Leistungen der Architekten und Ingenieure nach dem Inhalt der schriftlichen Vereinbarung richtet, die diese mit ihren Auftraggebern im Zeitpunkt der Erteilung des Planungsauftrags getroffen haben. Dabei waren im Grundsatz die durch die HOAI und ihre Honorartafeln festgesetzten Mindest- und Höchstsätze zwingend einzuhalten. Fehlte es an einer solchen Abrede, so war die Folge, dass die Mindesthonorarsätze der HOAI anzuwenden waren. Hieraus folgte der preisbindende Charakter der HOAI 2013 und ihrer Vorgängerfassungen.
Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019
In seinem Urteil vom 04.07.2019 (Az. C-377/17 I) hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die verbindlichen Honorare der HOAI 2013 für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen europäisches Recht verstoßen. Die Luxemburger Richter argumentierten, dass das mit den Mindestsätzen verfolgte Ziel, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zur gewährleisten, mit der Regelungsstruktur der HOAI 2013 nicht zu erreichen sei.
Im Ergebnis stufte der EuGH die HOAI 2013 als unverhältnismäßig ein und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland zur europarechtskonformen Anpassung des Regelwerks. Die Umsetzung erfuhr durch das Inkrafttreten der HOAI 2021 am 01.01.2021 verbindliche Wirkung.
HOAI 2021 – Was ist neu?
Herzstück der neuen HOAI ist die den Vertragsparteien eingeräumte Möglichkeit der freien Preisvereinbarung. Fortan ist es nicht mehr erforderlich, dass die Preisvereinbarung bei Abschluss des Planervertrages getroffen wird. Vielmehr kann sie auch im Nachgang zum Vertragsschluss vereinbart werden. Zudem ist nunmehr die Einhaltung der Textform ausreichend. Einer Unterzeichnung der Vereinbarung durch eigenhändige Unterschriften der Vertragsparteien bedarf es nicht mehr. Daher werden in der Praxis insbesondere auf elektronischem Wege, also beispielsweise per Mail abgeschlossene Preisvereinbarungen an Bedeutung gewinnen.
Der Gesetzgeber der HOAI 2021 hat zudem die Bindung der Vertragsparteien an die Honorarsätze des Regelwerks aufgehoben. Nach der neuen Verordnung ist eine Unterschreitung der Honorarsätze also grundsätzlich zulässig. Den unverändert gebliebenen Honorartafeln kommt daher nur noch der Charakter als Orientierungswerte zur Ermittlung des Planerhonorars zu. Konsequenterweise spricht die HOAI 2021 nicht mehr Mindest-, sondern von Basishonorarsätzen. Nur wenn keine Vereinbarung über die Höhe des Honorars getroffen worden ist – was in der Praxis nur äußerst selten der Fall sein wird –, findet für Grundleistungen der jeweilige Basishonorarsatz Anwendung.
Die HOAI 2021 stellt zudem nunmehr klar, dass neben der Abnahme auch eine prüfbare Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung des (Schluss-)Honorars des Architekten und Ingenieurs ist. Hierbei handelt es sich um eine Harmonisierung zum BGB-Werkvertragsrecht.
Hinweise für die Praxis
Die Möglichkeit der freien Preisvereinbarung und der Wegfall der Preisbindung räumen den Auftraggebern von Wohnungsbauprojekten und ihren Planungsbeteiligten größere Freiheiten bei der Ausgestaltung der vertraglichen Honorarstruktur ein. Auch Pauschal- und Stundensatzhonorare werden an Bedeutung gewinnen. Jedoch sollte eine beabsichtigte Unterschreitung der Basishonorare der HOAI 2021 auf den Prüfstand gestellt werden. Denn es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte mit Blick auf den Zweck der HOAI-Honorare – Verhinderung eines Preiskampfes zur Sicherung der Planungsqualität – einer Abweichung von den Vergütungsstrukturen nicht nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen Grenzen setzen. Möglicherweise kommt es so zu einer Preisbindung „durch die Hintertür“.
Die Behandlung von Planerverträgen, die vor dem 01.01.2021 abgeschlossen worden sind, richtet sich nach dem verbindlichen Preisrahmenrecht der Vorgängerfassungen der HOAI. In diesem Kontext ist noch offen, wie mit „Aufstockungsklagen“, in denen zunächst ein Honorar unterhalb des Mindestsatzes vereinbart wurde und der Planer nachträglich den Mindestsatz verlangt, umzugehen ist. Den Meinungsstreit zwischen den Oberlandesgerichten hat der Bundesgerichtshof nicht entschieden, sondern die Frage im Mai 2020 dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Mit einer Entscheidung ist noch im Jahr 2021 zu rechnen.
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