Für zahlreiche Produkte gelten in der EU die sog. Ökodesign-Anforderungen. Unter Ökodesign wird eine Politik zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit der Produkte hinsichtlich ihres gesamten Lebenszyklus verstanden.
Durch EU-Recht sind diese Anforderungen bereits seit längerem harmonisiert. Jedoch befinden sich die Ökodesign-Anforderungen bei der Europäischen Kommission derzeit in einem Überarbeitungsprozess. Während für einige Produktkategorien (z.B. elektronische Displays, Haushaltsgeschirrspüler und Lichtquellen) bereits neue Regelungen in Kraft getreten sind, wird die Überarbeitung bei anderen gerade erst angestoßen.
Wir geben einen Überblick über den Stand der Überarbeitungen (1.-3.). Außerdem stellen wir das für die Anwendbarkeit der Regelungen zentrale Merkmal des „Inverkehrbringens“ vor (4.). Schließlich reißen wir an, wie diese Regelungen in der Praxis durchgesetzt werden (5.).
1. Wo finde ich die Regelungen zu den Ökodesign-Anforderungen?
Der Grundstein für die Ökodesign-Anforderungen wurde in der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 gelegt. Je Produktgruppe hat die Europäische Kommission anschließend delegierte Rechtsakte erlassen.
Beispiel: Für Haushaltsgeschirrspüler gilt die Verordnung (EU) 2019/2022 der Kommission vom 01. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Haushaltsgeschirrspüler gemäß der Richtlinie 2009/125/EG. Diese Verordnung wurde zuletzt durch Verordnung (EU) 2021/341 der Kommission vom 23. Februar 2021 geändert. Danach müssen Haushaltsgeschirrspüler beim Inverkehrbringen beispielsweise ein „eco-Programm“ aufweisen. Auch müssen bestimmte Ersatzteile für gewisse Zeiträume verfügbar sein.
2. Was ist der Stand der Überarbeitung der Ökodesign-Anforderungen?
Der technische Fortschritt führt dazu, dass die Europäische Kommission die Ökodesign-Anforderungen alle paar Jahre verschärft. Seit 2019 überarbeitet die Europäische Kommission erneut die Anforderungen für einzelne Produktgruppen.
Für folgende Produktgruppen sind die Überarbeitungen der Ökodesign-Anforderungen bereits abgeschlossen und die neuen Anforderungen gelten – in weiten Teilen – seit dem unten jeweils angegebenen Stichtag (manche Einzelregelungen gelten zu einem früheren oder späteren Stichtag):
- Geltung ab dem 01. April 2020: Externe Netzteile
- Geltung ab dem 01. März 2021:
- Elektronische Displays
- Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner
- Haushaltsgeschirrspüler
- Kühlgeräte
- Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion
- Geltung ab dem 01. Juli 2021:
- Kleinleistungs-, Mittelleistungs- und Großleistungstransformatoren
- Elektromotoren und Drehzahlregelungen
- Geltung ab dem 01. September 2021: Lichtquellen und separate Betriebsgeräte.
Für Mobiltelefone und Tablets läuft bis zum 23. August 2021 die öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission. An dieser können Interessenträger teilnehmen (Informationen hier). Im Anschluss wird die Europäische Kommission einen Rechtsakt entwerfen. Die Annahme des Rechtsakts durch die Europäische Kommission ist für das zweite Quartal 2022 anvisiert.
Die Europäische Kommission nimmt sich parallel bereits weitere Produktgruppen vor. So befinden sich laut Konsultationsregister die Überarbeitungen folgender Produktgruppen in Vorbereitung:
- Lüftungsanlagen
- Wasserpumpen
- Gewerbliche Kühlgeräte
- Einzelraumheizgeräte
- Staubsauger
Es ist zu erwarten, dass weitere Produktgruppen in den kommenden Monaten und Jahren ebenfalls neuen, tendenziell strengeren Ökodesign-Anforderungen unterstellt werden.
3. Wie wirkt sich die Reform der Ökodesign-Verordnungen auf die Energieverbrauchskennzeichnung aus?
Die Energieverbrauchskennzeichnung von Produkten hängt eng mit der Gestaltung von Produkten nach den Ökodesign-Anforderungen zusammen. Für die meisten Produkte, welche den Ökodesign-Anforderungen unterfallen, gilt daher auch die Pflicht zur Kennzeichnung des Energieverbrauchs.
Die Kennzeichnung des Energieverbrauchs ist ebenfalls durch EU-Recht harmonisiert. Ähnlich wie bei den Ökodesign-Anforderungen gibt es einen Rechtsakt, welcher die Grundlagen für die Energieverbrauchskennzeichnung grundsätzlich regelt (Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. Juli 2017). Die Verordnung (EU) 2017/1369 wird von der Kommission durch produktspezifische delegierte Rechtsakte näher ausgestaltet.
Beispiel: Für Haushaltsgeschirrspüler gilt die Delegierte Verordnung (EU) 2019/2017 der Kommission vom 11. März 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2017/1369. Diese Verordnung wurde zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/340 der Kommission vom 17. Dezember 2020 geändert. Danach müssen Lieferanten beispielsweise sicherstellen, dass Haushaltsgeschirrspüler beim Inverkehrbringen mit einem gedruckten Label geliefert werden, dessen Gestaltung bestimmten Inhalts- und Darstellungsvorgaben entspricht.
Wegen des engen Zusammenhangs wurden die Regelungen zur Energieverbrauchskennzeichnung je Produktkategorie bislang häufig parallel zu den Ökodesign-Anforderungen reformiert. So läuft für die Produktgruppen Mobiltelefone und Tablets bis zum 23. August 2021 zeitgleich zur oben angeführten Konsultation im Bereich Ökodesign auch eine Konsultation zur Energieverbrauchskennzeichnung (Informationen hier).
4. Was steht hinter dem Merkmal des „Inverkehrbringens“?
Die neuen Ökodesign-Anforderungen und die neuen Kennzeichnungspflichten sind grundsätzlich nur auf solche Produkte anwendbar, die zum Stichtag der Regelungsänderung noch nicht „in Verkehr gebracht“ sind.
Das Merkmal des Inverkehrbringens ist ein bekannter Begriff aus dem EU-Produktrecht. Darunter wird die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt verstanden. Die Bereitstellung auf dem Unionsmarkt wiederum bezeichnet die entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit.
Wichtig ist insoweit, dass sich die Bereitstellung nicht auf eine Produktart bezieht, sondern auf jedes einzelne Produkt, unabhängig davon, ob es als Einzelstück oder in Serie hergestellt wurde.
Beispiel: Die Ausstellung eines Haushaltsgeschirrspülers im Laden oder die Anzeige dieses Produkts auf der Homepage genügt nicht, damit alle Produkte derselben Bauart als „in Verkehr gebracht“ gelten. Vielmehr wird jeder Haushalsgeschirrspüler individuell betrachtet.
Die Frage, wann ein Produkt als „in Verkehr gebracht“ gilt, kann je nach Vertriebsweg unterschiedlich sein. Im Bereich des Online-Handels ist beispielsweise anzunehmen, dass ein Produkt dann in Verkehr gebracht gilt, wenn es hergestellt sowie für den Vertrieb verfügbar ist und den Endkunden auf der Website zum Kauf angeboten wird.
5. Wie werden die Ökodesign-Anforderungen und die Energieverbrauchskennzeichnung durchgesetzt?
Die Ökodesign-Anforderungen und die Energieverbrauchskennzeichnung werden von Marktüberwachungsbehörden überwacht und durchgesetzt. In Deutschland bestimmen die Bundesländer die zuständigen Marktüberwachungsbehörden. In Bayern sind beispielsweise die Gewerbeaufsichtsämter zuständig.
Bislang fanden sich die Vorschriften über die Marktüberwachung in der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates (EU-Abl. L 2018, vom 13. August 2008, S. 30-47). Die Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 (EU-Abl. L 169 vom 25. Juni 2019, S. 1-44) bündelt die Vorschriften zur Marküberwachung nunmehr in einer eigenen Verordnung und regelt sie in Teilen neu. Die Verordnung (EU) 2019/1020 gilt ab dem 16. Juli 2021, wobei die Vorschriften zur koordinierten Durchsetzung und internationalen Zusammenarbeit und deren Finanzierung bereits seit dem 01. Januar 2021 gelten.
Entspricht ein Produkt nicht den geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union, fordert die Marktüberwachungsbehörde den einschlägigen Wirtschaftsakteur unverzüglich auf, angemessene und verhältnismäßige Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Beispielsweise kann die Marktüberwachungsbehörde nach Art. 16 Abs. 3 Verordnung (EU) 2019/1020 den Lieferanten dazu auffordern,
- die Konformität herzustellen,
- die Bereitstellung des Produkts auf dem Markt zu verhindern,
- das Produkt unverzüglich vom Markt zu nehmen, oder
- einen öffentlichen Rückruf vorzunehmen.
Die Richtlinie 2009/125/EG und die Verordnung (EU) 1369/2017 sehen zudem jeweils vor, dass die Mitgliedstaaten darüber hinaus Sanktionen nach nationalem Recht treffen können. In Deutschland können bei Verstößen Bußgelder von bis zu EUR 50.000 verhängt werden (Gesetz über die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte – EVPG) bzw. Gesetz zur Kennzeichnung von energieverbrauchsrelevanten Produkten, Kraftfahrzeugen und Reifen mit Angaben über den Verbrauch an Energie und an anderen wichtigen Ressourcen – EnVKG).
6. Worauf müssen Unternehmen achten?
- „Nach der Reform ist vor der Reform“ – der technische Fortschritt und die klimapolitische Agenda werden voraussichtlich dazu beitragen, dass die Europäische Kommission bereits in wenigen Jahren erneut die Ökodesign-Anforderungen (und damit zusammenhängend die Energieverbrauchskennzeichnung) überarbeiten wird. Eine frühzeitige Beteiligung an den Konsultationsprozessen – in Eigeninitiative oder über die einschlägigen Unternehmensverbände – kann dazu beitragen, dass eine praxisnahe Regulierung der Ökodesign-Anforderungen und der Energieverbrauchskennzeichnung gefunden wird, welche alle berechtigten Interessen berücksichtigt.
- Sind die neuen Regelungen und der Stichtag der Umsetzung bekannt, sollten sich die Unternehmen frühzeitig mit der praktischen Umsetzung befassen – sowohl in der Produktgestaltung, als auch im Vertrieb. Denn durch eine frühzeitige Umsetzung können die zusätzlichen Kosten reduziert, die Einhaltung der Stichtagsregelungen sichergestellt und Anweisungen sowie Sanktionen von den Marktüberwachungsbehörden verhindert werden.
Europäische Institutionen, Unternehmen der Chemieindustrie und das BMVerkehr setzen auf die Erfahrung der Praxis um van der Hout.
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